Die Zukunft fordert uns heraus: mehr Nahrungsgüter produzieren, Energie und Ressourcen sparen, das Klima schützen und zugleich die Lebensqualität verbessern, Hunger und Armut bekämpfen.
Das Recht auf Nahrung ist ein menschliches Grundrecht, jeder Mensch muss Zugang haben zu einer ausreichenden Menge gesunder Lebensmittel, die seinen Ernährungsgewohnheiten entspricht und die es ihm ermöglichen, ein Leben in Würde zu führen.
Weltweit hungern über 930 Millionen Menschen, mehr als 2 Milliarden leiden an Mangelernährung. Täglich sterben 46.000 Menschen an Hunger, drei Viertel davon sind Kinder unter fünf Jahren.
Eine Milliarde Menschen sind überernährt. Viele Entwicklungsländer haben ein doppeltes Problem: sie müssen Hunger ebenso bekämpfen wie die Folgen von Fettleibigkeit. Nach Schätzung der FAO soll im Jahr 2030 die Hälfte der Weltbevölkerung übergewichtig sein.
Das macht deutlich: Hunger ist in erster Linie ein Kaufkraft– u. Verteilungsproblem. Neben der dringend benötigten Akuthilfe werden vor allem zukunftsorientierte Investitionen in der Landwirtschaft gebraucht.
Ernährungssouveränität ist das Recht jedes Einzelnen und jeder Nation, Nahrungsmittel zu produzieren.
Das Menschenrecht auf angemessene Ernährung ist Teil des geltenden Völkerrechts. Das Bemühen, die dieses Menschenrecht auf Nahrung zu konkretisieren hat zu Leitlinien geführt, die rechtlich nicht bindend sind. Allerdings hat die FAO einen Konsens von 148 Staaten erreicht, so dass die freiwillige Leitlinie zum Menschenrecht auf Nahrung ein Staatendokument darstellt, das verpflichtet.
In der Zeit zwischen 1870 und 2000 hat die Weltlandwirtschaft tendenziell immer mehr Nahrungsgüter für immer mehr Menschen zu immer geringeren Preisen produziert.
In den vergangenen 40 Jahren sind die Weltagrarpreise, zumal die Getreidepreise erheblich gesunken. Zuvor hatten wir im Gefolge der ersten Energiekrise in den 70er Jahren aber schon einmal eine Entwicklung, die zu Preisansteigen bei Nahrungsmitteln geführt hat, die real höher waren als die der letzten Jahre. Darauf hat die Weltgemeinschaft mit großen Investitionen in die Landwirtschaft reagiert. Stichwort: „Grüne Revolution“. Das führte sehr rasch zu einem weiteren Rückgang der Agrarpreise und in der Folge zum Rückgang der Investitionen in die Landwirtschaft. So sank der Anteil der Landwirtschaft an den Ausgaben für Entwicklungshilfe von 15 % auf weniger als 3 %, obwohl 80 % der Armen in den Entwicklungsländern in und von der Landwirtschaft leben.
Die reichen Länder, die ihre Landwirtschaft über die Agrarpolitik unterstützten, sahen sich unter Druck, die von ihnen erzeugten Überschüsse zu verringern. Stichwort: Flächenstilllegung, Quoten, Abbau von Exportsubventionen
Der Grund für steigende Agrarpreise ist die weltweit steigende Nachfrage nach Nahrungsgütern, und dies wiederum aus drei Gründen: Klimaveränderung, Bevölkerungswachstum und steigender Verbrauch. Das Ernährungsverhalten hat sich in Europa, Asien und in Nordamerika gewandelt. Es wird mehr Fleisch verzehrt. In China stieg der Fleischkonsum von 20 Kilogramm pro Person im Jahr 1980 auf inzwischen 50 Kilo. Für ein Kilo Rindfleisch müssen 8 kg Getreide verfüttern werden. 2kg davon genügen wiederum, um ein Kilogramm Geflügel zu erhalten. Für ein Kilo Getreide wird etwa 1000 bis 2.000 l Wasser verbraucht. Auch Bioenergie trägt bei zur Preissteigerung.
Die Nachfrage wächst stärker als das Angebot, größere Bodenreserven gibt es in vielen Ländern nicht mehr, die Produktivität muss also wachsen, die Agrarforschung auch. Ohne Fortschritte bei den Saatgutsorten und den neuen Anbaumethoden wäre die Hungerkatastrophe noch größer. Vor 50 Jahren waren 40 Prozent der Menschheit unterernährt; es wären heute 2 Milliarden Menschen, gäbe es nicht den Fortschritt in der Landwirtschaft durch Agrarforschung und Innovation, Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit.
Bäuerliche Landwirtschaft ist eine auf zukünftige Generationen ausgerichtete Erzeugung von Mitteln zum Leben, welche eine selbstständige, eigenverantwortliche und ressourcenschonende Wirtschaftsweise pflegt, die Umwelt schützt, die natürliche Artenvielfalt erhält und Mitgeschöpfe und Schöpfung respektiert. Merkmale bäuerlicher Landwirtschaft sind:
nachhaltig und umweltgerecht, bodengebunden und tierartgerecht, eigenverantwortlich und eigentumsorientiert, familien- u. tradionsgebunden, vielfältig strukturiert, Wettbewerbs- und leistungsfähig, marktorientiert. Aufgaben:
- Produktion hochwertiger Nahrungsmittel
- nachwachsende Rohstoffe
- Pflege u. Erhalt der Kulturlandschaft
Was ist industrialisierte Landwirtschaft? Industrielle Landwirtschaft ist geprägt von industriespezifischen Produktionsweisen. Kennzeichen agrarindustrieller Betriebe sind unter anderem ein hoher Spezialisierungsgrad, die Verwendung technischer Verfahren, ein hoher Kapitaleinsatz, und der Übergang zu standardisierter Massenproduktion.
Ernährungssicherheit besteht, wenn alle Menschen zu jeder Zeit physischen, sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichender, gesundheitlicher und unbedenklicher, nährstoffreicher Nahrung haben, um so ihre Ernährungsbedürfnisse und Nahrungsmittelpräferenzen zugunsten eines aktiven und gesunden Lebens befriedigen zu können. Die vier Säulen der Ernährungssicherheit sind Verfügbarkeit, Versorgungsstabilität, Zugang und Nutzung.
Constantin von Barlöwen: „Es ist offensichtlich, dass Kulturdiversität und Biodiversität in einem Wechselverhältnis zueinander stehen und die Vielfalt ein vitaler Faktor der Weltzivilisation ist, weil er Möglichkeiten eröffnet und Handlungsoptionen zu einer nachhaltigen Entwicklung und zu nachhaltigem Wohlstand schafft.“
Agrobiodiversität ist Vielfalt an Betriebsformen – Vielfalt an Wirtschaftsweisen – Vielfalt an Kulturen – Vielfalt an Tierhaltungsformen – Vielfalt an Kultursorten – Vielfalt an Nutztierrassen – Vielfalt an Lebensräumen – Vielfalt an Pflanzen-und Tierarten.
Die Ziele einer nachhaltigen Landbewirtschaftung sind geeignet, die globalen Herausforderungen dieser Zeit zu bewältigen.
Die Schöpfung zu bewahren ist Auftrag und Verpflichtung. Die persönliche Verantwortung des Menschen ist eine schöpfungsbedingte Verpflichtung. Wir dürfen die Grundlagen unseres Lebens nicht zerstören. Jede Generation hat ein Recht auf die Chance der nachhaltigen Entwicklung. Und jede Generation muss sie schöpferisch nutzen. Wir haben nur eine Welt. Deswegen gilt: Alle wirtschaftlichen Aktivitäten dürfen die Chance zukünftiger Generationen nicht schmälern. Aus diesem Grunde sind globale Langzeitstrategien zu entwickeln. Sie müssen global und lokal anwendbar sein und ökologisch den lokalen Standortverhältnissen sowie sozial der lokal gewachsenen Kultur entsprechen.
Ernährung und Energie
Die Klimaschutzziele der EU sind ohne Bioenergie nicht erreichbar. Bis auf die relativ kurze Phase des Industriezeitalters mit seinem zerstörerischen Ressourcenverbrauch hat die Landwirtschaft in der Menschheitsgeschichte Nahrungsgüter und nachwachsende Energie produziert. Sie kann es und wir sind darauf angewiesen. Hungersnot wird dadurch nicht ausgelöst. Schon heute gibt es für alle Menschen genug Nahrungsgüter. Derzeit werden weltweit genügend Lebensmittel produziert um die gesamte Bevölkerung ausreichend und angemessen zu ernähren. Der fehlende Zugang zu diesen Nahrungsgütern ist vor allem der Grund, dass heute so viele Menschen von Mangelernährung und Hunger betroffen sind. Aber auch dies ist leider Realität: 40% z.B. in Indien kommen nicht bis zum Markt, geschweige denn auf den Teller. Warum? Schlechtes Regieren, fehlende Infrastruktur, unzureichende Lagerkapazitäten etc.. Eine aktuelle Studie der FAO, der Ernährungs-und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UN) hat herausgefunden, dass in Deutschland jedes Jahr bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll geworfen werden. Die Studie beziffert die so genannten Nachernteverluste in den Staaten mit niedrigem Einkommen auf 40 %. Grund dafür sind unter anderem technisch veraltete Erntemaschinen, eine fehlende Kühlung und falsche Lagerung, Transportschäden und unzureichende Infrastruktur. In Summe gehen damit 1,3 Milliarden Tonnen und damit rund ein Drittel der für den menschlichen Verzehr produzierten Lebensmittel verloren. Von der jährlichen Getreideernte landet am Ende sogar mehr als die Hälfte nicht auf dem Teller, sondern im Abfall. In einer längerfristigen Betrachtung der Ursachen für Armut und Hunger steht aber auch die Vernachlässigung der Landwirtschaft und der ländlichen Gebiete in vielen Ländern dieser Welt. Investitionen flossen vor allem in die Städte. Drei Viertel der Armen leben in den ländlichen Gebieten und beziehen ihren Lebensunterhalt direkt oder indirekt von der Landwirtschaft
Einflußfaktoren für Agrarpreise: Düngemittel und Energiekosten, Witterungsbedingungen, politische Unsicherheiten.
Um die großen Herausforderungen wie Hunger, Armut, Klimaschutz und Energieversorgung zu meistern, brauchen wir weltweit eine bäuerliche Landwirtschaft: eine auf künftige Generationen ausgerichtete Erzeugung von Mitteln zum Leben, welche eine selbstständige, eigenverantwortliche und ressourcenschonende Wirtschaftsweise pflegt, die Umwelt schützt, die natürliche Artenvielfallt erhält und Mitgeschöpfe und Schöpfung respektiert. Die Ziele einer nachhaltigen Landbewirtschaft sind geeignet, einen Beitrag zur Bewältigung der globalen Herausforderungen dieser Zeit zu leisten.
In Deutschland werden 2,15 Millionen Hektar nachwachsende Rohstoffe angebaut, das entspricht 18% der Ackerfläche. 940000 ha entfallen auf den Anbau von Raps für Biodiesel; 240000 Hektar auf Getreide und Zuckerrüben für Bioethanol. Insgesamt wird in Deutschland auf 6,7 Millionen Hektar Getreide angebaut.
4% der Welt-Agrarfläche werden für Energiepflanzen verwendet, in Deutschland 6%. Weltweit werden auf einer Fläche von 8, 5 Millionen ha Agrargüter für die Nutzung der Bioenergie angebaut. Das entspricht etwa 2 % der weltweit genutzten Ackerfläche. Ein Einfluss auf die Lebensmittelpreise ist nicht erkennbar, vielleicht in einigen Regionen. Höhere Agrarpreise, wünschenswert und notwendig für eine schöpferische Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen Räume, müssen auch zu strukturellen Änderungen führen, die dazu beitragen, dass Agrartreibstoffe weder die bäuerliche Landwirtschaft vertreiben noch die Lebensmittelproduktion ersetzen. Wenn Menschen und Umwelt in den Mittelpunkt gestellt werden, dann ist damit auch verbunden das Recht der Menschen über ihre Nahrungsmittelproduktion selbst zu bestimmen.
Festland der Erdoberfläche: 14, 8 Milliarden ha. Auf 9 Milliarden ha davon wächst Biomasse; davon wiederum sind 4 Milliarden Wald und 5 Milliarden ha gelten als landwirtschaftlich genutzt. Für den Anbau von Acker-und Spezialkulturen werden ca. 1,6 Milliarden ha verwendet, die weiteren 3,4 Milliarden ha zum Beispiel als Grasland oder es handelt sich um Naturschutzflächen oder brachliegende Flächen. 200 Millionen Hektar beträgt das Flächenpotential in Afrika. Länder kaufen dort Land.
Noch im vergangenen Jahr haben Weltbank-Ökonomen in einer Studie darauf hingewiesen, dass nur 1,5 % der globalen Anbauflächen von Getreide und Ölsaaten für Biokraftstoffe genutzt würden. Deshalb sei es sehr zweifelhaft, ob von daher ein starker Einfluss auf die Agrarmärkte ausginge. Ein neuer Bericht der G-20-Länder hat einen neuen Bericht in Auftrag gegeben mit dem Ergebnis: die staatlicher Unterstützung treibe die Preise für Zucker, Getreide und Pflanzenölen nach oben. Sie verschärfen damit Sprünge und die Gefahr von Hungersnöten in armen Ländern. Diese staatliche Unterstützung solle abgeschafft werden und auch die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanteile von Biokraftstoffen. In diesem Zusammenhang gibt es einen hohen Bedarf an Information und Diskussion.
Und Transparenz. Die Agrarminister der 20 wichtigsten Länder der Erde wollen eine internationale Datenbank aufbauen, die weltweit Auskunft über Lagerhaltung, Produktion und Konsum von Nahrungsmitteln gibt. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass eine größere Transparenz extremer Preisausschläge verhindert und zu einer verlässlichen Basis für die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion beiträgt. Damit die Bedürfnisse der bis 2050 auf 9 Milliarden Menschen geschätzten Weltbevölkerung gestillt werden könne, müsse die Nahrungsmittelproduktion um 70 % steigen.
Eine Reform der Spekulation mit Agrargütern auf den Finanzmärkten steht noch aus. Denn es müssen Maßnahmen getroffen werden können gegen Manipulation und Missbrauch von Marktpositionen. Auch hier: es muss Regeln geben.
Zum Thema Bio-Treibstoffe gaben die Minister weitere Analysen in Auftrag.
Höhere Agrarpreise sind erwünscht als Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung der weltweiten Landwirtschaft. Es wäre überhaupt nicht gut, wenn eine Entwicklung an so viel staatlicher Zuwendung hinge wie in Europa. Höhere Agrarpreise führen auch zu höheren Lebensmittelpreisen, sie verstärken die Gefahr von Hungersnöten-das muss aber nicht sein, denn es gibt genug Nahrungsmittel. Die Verteilung und die Kaufkraft sind das Problem.
Und was bei den Erneuerbaren Energien so entscheidend und wichtig ist: Sie müssen Teil einer dezentralen Wertschöpfung sein.
Die EU schöpft ihr Ethanol zu über 90% aus eigener Produktion, der Rest hauptsächlich aus den USA.
Es gibt die Biokraftstoff- Nachhaltigkeitsverantwortung – z.B. dürfen für den Anbau keine Regenwälder gerodet oder Feuchtgebiete trockengelegt werden. In dieser Verordnung ist auch festgelegt, das eingesetzte Biomasse bzw. Biokraftstoffe eine Treibhausminderung von mindestens 35 % aufweisen müssen. Ab 2017 liegt dieser Wert bei 50%, ab 2018 bei 60 %
Die Ethanolproduktion in Europa ist auf Nachhaltigkeit zertifiziert.
Per 1. Juli 2008 führte die Schweiz verbindliche ökologische und soziale Mindestanforderungen an biogene Treibstoffe ein. Beim Anbau der Rohstoffpflanzen muss der Erhalt des Regenwaldes oder anderer CO2 speichernder Ökosysteme (zum Beispiel Wälder oder Feuchtgebiete) und der biologischen Vielfalt gewährleistet sein
Auch Flugbenzin soll bald vom Acker kommen. Jatropha nennt sich die Pflanze, die vor allem in Asien wächst und geeignet ist, aus ihr klimafreundliches Flugbenzin herzustellen.
Zahlreiche deutsche Unternehmen wollen künftig zertifiziertes nachhaltiges Palmöl verwenden.
In den oben genannten Themenbereichen sind zwei Begriffe heftig umstritten: Marktwirtschaft und Wachstum. Worum geht es?
Die FAO geht davon aus, dass bei einer gerechten Welthandelsordnung das Hungerproblem auf der Welt gelöst werden kann. Entscheidend sei, dass über eine international vereinbarte Nachhaltigkeitsstrategie die Bekämpfung des Hungers Vorrang vor der Produktion von Agro-Energie hat. Dringend notwendig sei, beim Ausbau von Agro-Energie dafür zu sorgen, dass diese dezentral, regional und nachhaltig erzeugt wird.
Marktwirtschaft
Die Agrar-Geschichte ist bestimmt von der Sorge um die Ernährungssicherheit. Agrarpolitik war und ist Schutzpolitik. Ernährungssicherheit steht wieder auf der Tagesordnung.
Markt und Wettbewerb sind nicht sehr beliebt. Jedoch, Freiheit und Demokratie, Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung, da gibt es einen Zusammenhang, der gewahrt werden muss. Paul Kirchhof: „Die Kraft zur Freiheit-die Bedingung von Demokratie, Verfassungsstaat und sozialer Marktwirtschaft-muss täglich trainiert werden.“
Wir erleben tief greifende Umbrüche. Daraus können Brüche oder Aufbrüche werden. Überall auf der Welt suchen die Menschen nach einer neuen Ordnung, oder nach einer besseren Ordnung. Dabei wird deutlich das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit. Dies erfolgt aus der Individual-und Sozialnatur des Menschen. Heute steht Gleichheit hoch im Kurs. Mehr Freiheit wagen, das war gestern.
Auf die Unsicherheit und Verwerfungen dieser Zeit reagieren die Menschen zunehmend mit der Forderung nach mehr Moral. Aber der zunehmende Wettbewerb, der globale Wettbewerb macht moralisches Verhalten für den Einzelnen sehr schwierig. Solange und soweit es nicht klare Spielregeln gibt, die auch die Konkurrenten binden, wird der Ehrliche benachteiligt. Bloße Motivation reicht für das richtige Verhalten nicht aus. Die Bindung aller Akteure an dieselben Moralstandards also die Bindung an die Regeln ist auch global möglich und notwendig. Die globale Welt braucht eine globale Ordnung. In dieser globalen und modernen Welt und Wirtschaft kann die moralische Qualität nicht mehr allein auf die moralischen Motive des einzelnen gebaut werden. Individuelle Moral ist auf institutionelle Moral angewiesen.
Die Marktwirtschaft fordert die ordnende Hand des Staates. Als Leitplanken für die Wirtschafts-und Sozialpolitik dienen ordnungspolitische Prinzipien wie zum Beispiel Privateigentum, Vertragsfreiheit, Wettbewerb und Haftung.
Die primäre Verteilung der Einkommen über den Markt gemäß der Leistungsfähigkeit bedarf der staatlichen Korrektur zu Gunsten derjenigen, die sich nicht selber helfen oder für sich sorgen können. In Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip hat jeder erst einmal die Pflicht, im Rahmen seiner Möglichkeiten Einkommen zu erzielen.
Manfred Spieker:“ Die Marktwirtschaft ist gegenüber allen anderen Wirtschaftsordnungen nicht deshalb der Vorzug zu geben, weil sie zu mehr Wohlstand führt, sondern weil sie der Freiheit und Würde des Menschen besser entspricht, seiner Leistungsbereitschaft fördert und sein Verantwortungsbewusstsein fordert. Das ethische Fundament der Marktwirtschaft ist den anthropologischen Grundlagen und Ordnungsprinzipien der christlichen Soziallehre in verwandt. Eines der wichtigsten Prinzipien, die Subsidiarität, wurde erstmals in Quadragesimo anno definiert.“
Das wissen der Menschen nutzbar zu machen geschieht am besten im Wettbewerb und auf dem Markt. Ob man in einer Ordnung, in ein Systemvertrauen haben kann, hängt entscheidend ab von der Wirksamkeit der Rechtsordnung und der Einsicht in die Regeln.
Der Markt ist ein Instrument. Der Markt braucht Regeln. Dafür sind die Staaten oder Staatengemeinschaften verantwortlich. Kein Ordo-Liberaler ist der Meinung, dass sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten müsse. Allerdings ist der starke Staat nicht umso stärker, je tiefer er in die Wirtschaftsprozesse eingreift. Der Staat schwächt sich durch seine direkt regulierenden Eingriffe.
Wilhelm Röpke: „je mehr Stabilisierung, umso weniger Stabilität.“
Es geht also um Spielregeln, nicht um Spielzüge. Wer die Spielregeln aufstellt, sollte nicht Mitspieler sein. Zu oft treffen wir auf einen systematischen Fehler der Politik: sie ist zu sehr Mitspieler. Besonders in der Agrarpolitik.
Es ist unbestritten, dass nicht für jedes Produkt der Markt den wirklichen Preis abbildet, d.h. die tatsächlichen Kosten. Aber das größte Volumen dessen was produziert wird, wird auf dem Markt gehandelt. Das gilt auch für den Agrarmarkt. Auch für das Produkt der Direktvermarktung.
Wie es sein sollte – ein Beispiel:
Wir, die Otto Group glauben an ein soziales Engagement, den Umweltgedanken und ein faires Miteinander. Ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung nachhaltig miteinander in Einklang zu bringen, das ist das Ziel. Die grundsätzlichen Anforderungen der Otto Gruppe an ihre Lieferanten von Waren werden in einem Verhaltenskodex geregelt. Alle Handelspartner der Gruppe sind verpflichtet, bestimmte soziale Standards bei der Produktion einzuhalten und verbindlich darauf zu achten, dass sie im Einklang stehen mit den Regeln der ILO, der Konvention zu den rechten des Kindes und zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen sowie mit den OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen.
Zusammenfassung:
Horst Köhler in seiner Rede“ Die Ordnung der Freiheit“: die Ordnung der Freiheit bedeutet: die Bürger beauftragen den Staat, die Spielregeln zu setzen. Aber das Spiel machen die Bürger. Die Regeln lauten: Privateigentum und Vertragsfreiheit, Wettbewerb und offene Märkte, freie Preisbildung und ein stabiles Geldwesen, eine Sicherung vor den großen Lebensrisiken für jeden und Haftung aller für ihr Tun und Lassen. Der moderne Sozialstaat schützt vor Not; aber er gaukelt nicht vor, den Einzelnen den einmal erreichten Lebensstandard garantieren zu können. Auf diese Regeln muss Verlass sein. Die Bürger müssen wissen, was auf sie zukommt. Ohne Verlässlichkeit kein Vertrauen.“
Wachstum
Es soll nicht aufhören Saat und Ernte (Gen 8,22)
Es gibt immer Wachstum. Jährlich wächst der Wald. Aber die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Es gibt Wachstum, weil immer Neues gepflanzt wird.
Aber in einer endlichen Welt kann es kein unendliches Wachstum geben. Auch hier gilt: grenzenlos wäre hoffnungslos.
- Wachstum weicht nicht ins Grenzenlose, sondern in Entwicklungsprozesse.
- Das lineare Denken muss abgelöst werden durch ein Denken in Zusammenhängen.
- Es geht um ein Wachstum ohne Naturverbrauch.
- Der Verzicht auf Wachstum wäre eine merkwürdige Forderung, den sie würde zum Beispiel bedeuten den Verzicht auf neues Wissen um die Umsetzung von neuem Wissen in eine qualitativ bessere und vielfältigere Welt.
- Es gibt Anforderungen an Wachstum: Humanverträglichkeit, Zukunftsverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, Umweltverträglichkeit.
Wachstum ist also zukunftsweisend zu verstehen im Sinne von Ressourcen-und klimaschonenden Lösungen. Es geht nicht um Wachstum als immer mehr vom gleichen, es geht um Wachstum für bessere Lösungen, um Wachstum, das Werte schafft, das nachhaltig ist.
Meinhard Miegel: Menschen brauchen Wachstum. Wachstum wird und muss sein. Wachstum gehört zum Leben. Doch das von Menschen gemachte Wachstum bedarf, ehe es in Gang gesetzt wird, einer Unbedenklichkeitsprüfung …“
Der Sozialstaat nährt die Illusion fortwährenden Wirtschaftswachstum. Der Sozialstaat, so wie er heute gelebt wird, hat Wirtschaftswachstum zur Voraussetzung. Wohlstand und Wachstum sind mit Schulden erkauft worden. Immer noch nicht haben wir die Kraft gefunden, uns aus dieser Illusion zu befreien. In dieser Haltung kommen wieder die Interessen des Ganzen, weder die eigene Zukunft noch das Interesse der Kinder und Enkelgenerationen vor.
Ein so tief greifend organisierter Sozialstaat ist ein kalter Start. Denn seine Zuwendungen sind nicht dasselbe, wie die Zuwendungen des Menschen in Solidarität.
Über Millionen Jahre ist die Wirtschaft kaum gewachsen. Das änderte sich mit der industriellen Entwicklung. Heute bedeutet ein Wirtschaftswachstum von 2 % einer Verdoppelung von Produktion und Konsum alle 35 Jahre. Hier haben wir nun ein Problem: die Verbindung von Wohlstand und Wachstum. Welche Anreize und Regeln schaffen wir für welches Wachstum für welchen Wohlstand?
Marktwirtschaft und Landwirtschaft
Auf dem Welternährungsgipfel im November 2009 erklärten die Staats-und Regierungschefs: „Wir verlangen offene Märkte, da diese wesentlicher Bestandteil einer weltweiten Reaktion im Bereich Ernährungssicherung sind… wir unterstützen besondere Maßnahmen, die im Einklang mit den WTO-Grundsätzen stehen und nicht handelsverzerrend wirken…“
Im Juni 2011 erklärten die europäischen Bauernverbände: wir sind gegen eine weitere Liberalisierung der Weltagrarmärkte.
Was nun? Warum spricht eigentlich in der globalen Diskussion über Ernährungssicherheit und Liberalisierung mit Bezug auf die Agrarmärkte niemand über Marktwirtschaft und die dazu notwendigen Regeln? Denn seit Jahren hören wir folgende Forderungen: wir verlangen offene Märkte… besonders vor dem Hintergrund liberalisierte Märkte kommt den Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in Zukunft eine besonders große Bedeutung zu… die Landwirtschaft muss wettbewerbsfähiger werden… Die Landwirtschaft muss wettbewerbsfähig sein… ein Bestandteil unserer Förderung ist die Unterstützung der Landwirtschaft in ihrer Anpassung an die Märkte der Zukunft. Und schließlich die EU: die Landwirte erhalten Direktzahlungen zur Stabilisierung der Einkommen. Die Entkopplung bedeutet, dass die Landwirte in der EU marktorientiert wirtschaften können.
Wer Markt sagt, der muss auch Marktwirtschaft wollen. Wer den Wettbewerb akzeptiert, der muss den Markt akzeptieren, denn dort findet der Wettbewerb statt. Markt und Wettbewerb brauchen Regeln im Rahmen einer Ordnung: Rahmenordnung. Eine Rahmenordnung kann mit der folgenden Forderungen nicht gemeint sein: „Die EU setzt sich für die Entwicklungsagenda von Doha ein, deren Verhandlungen auf eine weitere Liberalisierung des Handels unter gleichzeitiger Förderung der Entwicklung abzielen.“
Was passiert tatsächlich? Die Doha-Freihandelsrunde ist kaum noch zu retten.
Die WTO hat eine Zunahme der Restriktionen in zahlreichen Ländern festgestellt.
Der Nationalrat der Schweiz verlangte vom Bundesrat, die Verhandlungen über den Agrar Freihandel mit der EU abzubrechen. Und aus der Schweiz kam der Vorschlag, die Ernährungssouveränität rechtlich zu verankern-durch immer mehr Marktordnungen.
Eine Stimme aus Österreich: die Anforderungen der EU werden laufend verfeinert und detaillierter. Wir reden ständig davon, dass es einfacher werden muss. In Wahrheit wird es Stück für Stück detaillierter und komplizierter. Die Landwirtschaft braucht den Markt, gleichzeitig braucht sie aber auch Sicherheit. Die Landwirtschaft kann nicht vollständig den Marktkräften überlassen werden.
Und was jetzt?
Die europäische Agrarpolitik hat in mehr als fünf Jahrzehnten eine Vielzahl an Reformen erlebt. Als erste Gemeinschaftspolitik formulierte sie vor allem Marktordnungsaufgaben. Produktpreisstützung wurde abgelöst durch Preisausgleichszahlungen und schließlich durch entkoppelt wird Betriebsprämien. Eine der Begründungen für die zahlreichen so genannten Reformen war der Hinweis auf die Gesellschaft, die das ganze mit viel Geld verbundene Werk ja akzeptieren müsse, aber immer noch nicht akzeptiere und deswegen eine weitere Reform fällig sei. Die kann, bestimmt von der gleichen Haltung wie bisher (das Geld sichern), ausfallen wie sie will, gesellschaftlicher Akzeptanz wird sie nicht erreichen können. Auch nicht durch Greening-Maßnahmen, die ja die Zahlungen gegenüber der Öffentlichkeit legitimieren sollen. Wo so viel Geld verteilt wird, da gibt es nicht nur keine Dankbarkeit sondern beständige Unzufriedenheit. Versuchen wir es mal mit der Marktwirtschaft. Wenn der EU-Agrarkommissar sagt, dass der Markt allein auf die aktuellen Anforderungen nicht ausreichend und zufriedenstellend reagieren könne, dann überschätzt er auf jeden Fall die Alternative, das heißt seine Möglichkeiten oder die der Kommission oder die der Politik.
Hermann Kroll-Schlüter, Staatssekretär a.D.
Präsident des Internationalen Ländlichen Entwicklungsdienstes(ILD)
Vorstandsmitglied des Ökosozialen Forum Europa